Der Morgen begann wieder tierisch: Ich radelte zum Reiten.
Es fiel mir heute alles total leicht, sowohl körperlich als auch geistig, die Anweisungen umzusetzen.
Mittags zurückgekehrt, war ich immer noch nicht ausgepowert und widmete mich meinem geliebten Hormon-Yoga-Programm.
Aufgrund meiner diversen Unzufriedenheiten der letzten Wochen hatte ich Keimsaat vorbereitet (Linsen, Sonnenblume und Mungobohne); die Sonnenblume war nicht sooo schlecht, aber auch nicht attraktiv genug in der geruchlichen Anziehung.
Das Rennen haben schließlich die Cashewkerne gemacht. Für mich war das ein Hinweis auf eine unzureichende Nahrungspalette. Wer noch in den Genuss der Cashewfrüchte bei Orkos kam, weiß, dass es verdammt schwierig ist, an den Kern zu kommen und erst recht ist es in der freien Natur nahezu unmöglich, 30 Früchte zu finden und verspeisen zu können, um dann an den Kern zu kommen. Diese Menge an Früchten entspricht in etwa den verzehrten 86g Kernen. Die getrockneten Kerne wiegen ca. 2g, also vielleicht 3g im frischen Zustand. Danach gab es noch kleine Mengen vom Teltower Rübchen (sehr gut, mit Madengängen an der Schale) und 2/3 eines Kohlrabis.
Da ich ohnehin das Empfinden hatte, dass das ganze Haus nach Fisch roch, ich aber keine vorhandene Quelle dafür lokalisieren konnte, begab ich mich am Nachmittag auf die Jagd.
Mein erstes Ziel war das Frischeparadies in Berlin.
Kaum betrat ich die Halle, wurde mir klar, dass ich mit meinem Fischbedarf goldrichtig lag.
Ich kaufte frische Sardellen und Sardinen (mit Kopf und Innereien).
Zu meiner großen Freude gab es Herzmuscheln; die hatte ich bei Orkos mal monatelang als mein Schlüsselprodukt gekauft.
Mein größter Wunsch – der nach einem Taschenkrebs – war leider dort nicht erfüllbar. So entschied ich mich für einen kleinen Hummer aus Wildfang. Als der Verkäufer das Tier auf die Waage setzte, sagte innerlich in mir alles „nein!“. Ich war aber zu feige zurück zu rudern. Was hatte mich gestört? Das zappelnde Tier, so anmutig schön, gefesselt an den Schweren, löste einfach nur Mitleid in mir aus. Und ich weiß einfach nicht, wie ich so ein lebendiges Tier töten soll. Zum Glück starb er auf der Rückfahrt.
Dann roch ich mich durch alles an verfügbarem Gemüse und Obst. Fand ich mal wieder sehr gut. So wanderten Fenchel, Brokkoli und Blumenkohl sowie meine früher mit Hingabe verzehrten Petersilienwurzeln in den Korb. Auch ein paar Esskastanien gab es zur Probe.
Beim Obst gefielen mir sehr frische Passionsfrüchte aus Brasilien. Auch wenn ich beim Obst zurückhaltend sein will und werde, weil es derzeit dringendere Nährstoffbedarfe zu decken gibt, fände ich es fatal, es aus der Produktpalette auszuschließen. Und nach saurem Obst zu Mittag kann ich auch abends wieder Tier oder pflanzliches Protein essen. Bei sehr süßem Obst bleibe ich vorzugsweise an dem Tag bei süß.
Für das schwangere Töchterchen nahm ich noch eine Flugananas aus Ghana mit. Mich selber faszinierten weder Rambutan noch Mangostan noch Papaya noch frische Feigen.
Aber eine frische junge Kokosnuss (komplett mit grüner Schale) wanderte noch in den Korb.
Ich glaube nämlich, dass diese ganzen geschälten Pagoden auch wieder viel zu einfach und zu schnell verfügbar sind. Als ich letztens 2 Nüsse trank und aß, dachte ich, mal sehen, ob das mit der ganzen Nuss auch ginge. Ist ja ein Riesenaufwand, dieses Riesenexemplar von der Schale zu befreien und dann an das Fruchtfleisch zu kommen. Muss ich mal in Ruhe das beste Vorgehen und Werkzeug ausprobieren.
Für diese Vielfalt löhnte ich 65€ und war zufrieden.
Die Neugier trieb mich dann in den 2km entfernten Vietnam-Markt.
Dort hatte ich im letzten Winter mal kurzzeitig Früchte eingekauft, war aber von der Qualität sehr enttäuscht gewesen. Heute wollte ich einfach mal gucken, vor allem, weil mir ein Taschenkrebs nicht aus dem Sinn ging und ich dort bereits 1x Glück gehabt hatte. Allerdings war der mir damals suspekt im Geschmack vorgekommen, so süß.
Dieser Markt besteht aus mehreren Hallen, in denen Vietnamesen ihre Produkte und Dienstleistungen anbieten: Es gibt überwiegend Textilien und Schuhe, aber auch Gastronomie, Friseure und Massagen. Und dann gibt es ein paar Händler mit Lebensmitteln. Die Preise für Obst wie Sapote Chico, Cashew- und Drachenfrüchte, Rambutan, Longan, Mangos, Jackfrucht (wenn verfügbar) und Durianfrucht liegen einheitlich bei 10€/kg. Nicht gerade ein Schnäppchen dafür, dass es konventionelle und zudem folienumwickelte Handelsware ist.
Gleich in der ersten Halle sah ich eine kleine Durianfrucht – grasgrün, aber erstaunlich gut duftend. Ich dachte mir, wenn mir sowas in reif begegnet, wäre das einen Versuch wert.
In einer weiteren Halle fand ich dann das gesuchte Objekt: eine recht wild geformte (kommt auf dem Foto nicht so zur Geltung) überreife Durianfrucht. Perfekt, intuitiv fühlte ich mich zu ihr hingezogen und sie roch himmlisch.
Im Fisch- und Fleischbereich des Ladens staune ich immer wieder, was die deutsche Lebensmittelhygiene so toleriert: Da stand ein Eimer mit auftauenden Fischen, die jeder anfassen, anniesen etc. konnte. Daneben stand ein Eimer mit toten Taschenkrebsen. Ich befühlte sie, sie hatten Raumtemperatur und ich vermutete, dass sie an dem Tage gestorben sind. Verständigen konnte ich mich mit der Verkäuferin dazu leider nicht. Ich entschied mich für 2 Exemplare und genau diese beiden wählte auch die Verkäuferin für mich aus. Schien also zu passen.
Mit 13€ für die Krebse und 23€ für 2,8kg Durianfrucht war ich dabei.
Danach ging ich noch zum Pakistaner, der dort eine sehr schöne Auswahl an Früchten vertreibt und preislich auch wesentlich moderater ist. Leider sahen die Früchte in der Vergangenheit nur wunderschön aus und verdarben dann sehr schnell völlig abartig, vor allem bei der Papaya und bei kleinen Sapotillen ist mir das aufgefallen.
Diesmal versuchte ich es mit schwarzen großen, langen und kleinen, dicken Kochbananen. Letztere hatte ich noch nirgendwo gesehen.
Ich roch alles durch, was mir in die Finger kam und plötzlich haute es mich fast um: ich war bei den reifen Guaven angekommen. Der absolut tollste Geruch vom ganzen Tag. Ich nahm die reifsten Exemplare mit (auf dem Foto mit den Passionsfrüchten). Sicher, Hagebutten und Schlehen sind auch voller Vit. C, aber mit Hagebutten wurde ich in diesem Jahr noch nicht warm und die überaus intensive Anziehung wird schon ihren Grund haben.
Dann sah ich noch die wilden Avokados, die im letzten Winter recht gut waren und nahm ebenfalls drei sehr gut riechende reife Exemplare mit.
16€ hat diese leckere Vielfalt gekostet.
Anschließend fühlte ich mich vom Reichtum der Natur sehr beschenkt. Was die Qualität anbetrifft, muss ich gucken.
Um dem derzeit besonders geruchssensiblen Töchterchen die Duriangerüche zu ersparen, die immer anziehender durch das ganze Auto zogen, hielt ich unterwegs im Wald an und verzehrte 300g (abzüglich Kernen). Leider erwies sich die Frucht dann doch als gewöhnliche Morn Thong, auch wenn sie wilder aussah.
Nun will ich in Anbetracht der relativ geringen verzehrten Menge keineswegs behaupten, dass die Qualität dieser Frucht besser als jene von Orkos, Tropenkost etc. war. Vielmehr glaube ich, dass das Bewusstsein eine nicht unerhebliche Rolle bei der Akzeptanz der Sperre spielt. Heute fühlte ich mich tief beseelt vom Jagdglück und konnte mühelos die leicht einsetzende Bauchsperre akzeptieren. Mitunter anders sieht es aus, wenn eine große verfügbare Menge in Form weiterer Schälchen oder Früchten in greifbarer Nähe liegen. Dann ist die Versuchung groß, gar nicht so bewusst zu essen oder leichtfertig einen Nachschlag zu holen.
Für mich bestand der Nachschlag diesmal aus einer kleinen Kochbanane vom Pakistaner (<100g), die an einer Stelle von Insekten angefressen worden war.
Zu Hause angekommen, präsentierte ich meinen Gästen (Tochter und Familie) die erworbenen Schätze. Die 3jährige Enkelin war sehr interessiert an allem, wollte die rohen Fische anfassen, roch an allem sehr intensiv, stand voller Ehrfrucht vor den Krebsen, dem Hummer und der Durianfrucht (letzteren kannte sie bisher nur aus dem Schälchen) und guckte mir interessiert beim Wegräumen zu. Dabei sah sie die ganzen Innereien und Fleischstücke im Kühlschrank und nahm ebenfalls alles in die Hand, um es zu befühlen und zu beriechen. Nebenbei erhielt sie ihren ersten Anatomieunterrricht.
Es war einfach schön zu erleben, wie undogmatisch, frei und offen sie für diese neuen Erfahrungen war. Und wie schön auch, dass ihre Eltern sie diese Erfahrungen machen ließen.
Abschließend saßen wir am warmen Kamin und pellten Haselnüsse aus eigener Ernte aus der faserigen Hülle und ließen den Tag angenehm ausklingen.