Der Entspannungskurs war hervorragend und ich bin diesmal auch nicht so müde geworden. Wir haben u.a. Übungen auf dem Pezzi-Ball gemacht. Das hat mir so gut gefallen, dass ich beschlossen habe, mir einen für das Büro zu bestellen. Zu Hause habe ich meinen Schreibtischstuhl schon vor Jahren entsorgt und sitze, hocke oder kniee hier nur auf dem Ball.
Zu Hause wartete eine Überraschung auf mich: Meine Tochter hatte berufliche Termine in der Nähe und war unser Schlafgast.
So wurde es ein langer Schnatterabend, bei dem wir den Film „Fack ju Göhte“ sahen. Auch wenn er zahlreiche Sozialklischees bedient, war er sehr lustig.
Nebenbei knackte ich Walnüsse der alten Ernte, um sie an die Vögel zu verfüttern. Die stehen auf große Nüsse. Noch lieber mögen sie allerdings Erdnüsse. An der Nordsee habe ich im letzten Winter riesengroße Säcke als Vogelfutter gesehen. Hier gibt es nur Sonnenblumenkerne. Aber ich werde ihnen mal einen Sack bestellen; das haben sie sich einfach verdient.
So kam es, dass ich erst um Mitternacht im Bett war. Und um 4 Uhr wachte ich schon wieder putzmunter auf.
Naja, ganz glücklich war ich darüber nicht. Aufwachzeiten um diese Uhrzeit zeigen immer eine Leberbelastung an, gerade hängt auch wieder die Verdauung etwas.
Da mir das ganze alte Fleisch gerade etwas zum Hals heraushängt, erging ich mich in morgendlichen Gedankenspielen, wo ich heute frisches, einwandfreies Fleisch herbekommen könnte.
Nach Berlin fahren? Auf einem der Wochenmärkte nach frischer Ziege Ausschau halten? Ich hatte da einen Markt im Gedächtnis, aber dort war ich schon seit Jahren nicht mehr.
Bei "Gut Darß" Wildschwein bestellen? Das war im Sommer so wunderbar und vielleicht gibt es an der Ostsee weniger Maisfelder als hier?
Auf den Wildhof fahren? Aber Reh hatte ich noch und Wildschwein - sollte ich es schon wagen? Sind die Maisbelastungen schon abgebaut?
Als allererstes rief ich gleich morgens bei meinem Lammfleischanbieter an und orderte eine kleine Menge frisches Lamm. Ich brauche Fett .
Erstmals bestellte ich auch Galloway-Rind, welches 24 Monate nur Gras und Heu bekommt. Zudem gibt es von diesem Tier auch exklusive Teile, wie z.B. die überaus fett- und eiweißreiche Zunge. Außerdem bestellte ich fettdurchwachsenes Brustfleisch und Rippen sowie Markknochen und eine Beinscheibe.
Bei Fleischer Maßmann wollte ich anschließend alle Innereien vom Weideschwein bestellen, aber das muss ich verschieben, weil er nicht da war.
Ich habe gestern Abend - auch unter dem Eindruck des Berichtes über den Nur-Fleisch-Esser – mir die Nährwerte zu Innereien angesehen. Sie liegen weit über dem des Fleisches.
Und wer Sven Rohark gelesen hat, weiß um die Bedeutung des Cholesterins. Und das wiederum steckt in allen Innereien und besonders im Gehirn.
Ich spüre gerade eine unbändige Lust auf fleischliche Vielfalt.
Ist für mich aber logisch, weil ich nur an dieser Produktkategorie Gefallen finden kann und da gibt es eben auch unterschiedliche Bedarfe.
Danach entschloss ich mich spontan, doch eine Radrunde zum Wildhof zu machen. Ich hatte so einen deutlichen Appetit auf Frischfleisch, dass zumindest gucken ja nichts schaden konnte.
Sehr positiv registrierte ich eine super gute Laune und Tatendrang trotz des wenigen Schlafes.
Und wie goldrichtig diese Idee war, sollte ich sehr bald erfahren.
Vorher traf ich jedoch noch eine Entscheidung, die etwas wagemutig war, um nicht zu sagen riskant. Aber es gibt Mutproben, die muss frau wohl bestehen.
Hintergrund dessen war, dass ich den üblichen Radweg einfach zu langweilig fand und mir auf der Karte eine andere Strecke ausgeguckt hatte: einen Pilgerweg.
Zudem liegen auf dem Radweg auf der Hin- und Rücktour jeweils ein sehr anstrengender Anstieg, und den wollte ich heute gerne vermeiden.
Sehr bald stellte ich fest, dass diese Strecke, bestehend aus einem uralten Pflasterweg und tiefen Sandwegen, wenig fahrradtauglich war. Aber umkehren kam nicht in Frage, dazu war die Neugier zu groß.
Wenn ich gewusst hätte, was noch vor mir lag, hätte ich anders entschieden.
Nach einer ganzen Weile in völliger Abgeschiedenheit und fernab jeglicher Zivilisation kam ich mitten im Wald auf völlig aufgewühlten Waldboden, weil Baumfällarbeiten stattgefunden hatten. Ich musste absteigen und das Rad schieben. Aber der Höhepunkt kam in Form einer Schlucht, in die ich bergab radelte, die voller spitzer Steine lag, die unter dem Laub wiederum erst sehr spät zu erkennen waren. Kurz durchfuhr mich der Gedanke, dass es lange dauern würde, ehe mich hier jemand findet, wenn mir etwas zustoßen sollte. Ich war ohne Helm und ohne Handy unterwegs. Aber schnell dachte ich wieder positiv, nur nichts erschaffen, was man nicht braucht.
Es war schon eine interessante Selbsterfahrung, die ich durchlebte. Ich spürte in mich hinein und war erstaunt, dass ich eigentlich trotz dieser totalen Abgeschiedenheit in tiefem Wald nicht wirklich ängstlich war. Aber es wäre auch gelogen, wenn ich nicht zugeben würde, dass mir zeitweise etwas mulmig zumute war, weil man ja nie weiß, wer und was sich im Wald so rumtreibt.
Die Landschaft, die ich durchaus auch genießen konnte, war schon sehr interessant und schön. Mehrere Hochstände zeigten ein reges Jagdtreiben an. Von dieser unberührten Natur ernährte Tiere würde ich gerne essen. Und so radelte ich gut gelaunt weiter.
Der Hintergrund, warum ich diese Strecke auch mal abfahren wollte, war zum Einen, dass im Sommer dorthin regelmäßig geführte Wandertouren angeboten werden und zum Anderen, dass ich an diese Gegend schaurige Erinnerungen aus meiner Kindheit habe. Früher gab es dort eine Bahnstation, bei der fast nie jemand ein- oder ausstieg und es war dort nie irgendwo ein Licht zu erkennen Und es verband sich für mich aufgrund seiner Moore mit so abenteuerlichen Büchern wie „Käuzchenkuhle“.
Als ich nach langer Zeit endlich die ersten Zeichen der Zivilisation in Form eines Hahnenschreies hörte – oh, was war ich froooh.
Wenig später erkannte ich, das ich aber von der ursprünglichen Route abgekommen und auf meinem sonstigen Radweg gelandet bin. Und dass der Anstieg, welchen ich gerne vermieden hätte, noch vor mir lag. Aber die Euphorie, diese kleine Grenzerfahrung gut überstanden zu haben, ließ ihn mich beschwingt bezwingen.
Beim Wildhof richtete sich meine Optik als erstes auf ein Päckchen mit Wildschweinrippen, Gewicht 1kg. Ok, den Versuch wollte ich starten. Bei 6€/kg würde sich der Verlust in Grenzen halten.
Dann entdeckte ich eine wahre Seltenheit: frische Hirschleber. Die Verkäuferin sagte mir, sie sei von heute früh. Perfekt. Es war ein knappes Kilogramm.
Und passend dazu nahm ich noch ein Stück Hirschfleisch von 340g mit.
Es sah alles sehr frisch aus und die Verkäuferin bestätigte mir, dass sie letzte Woche beim Schlachtefest völlig ausverkauft gewesen seien und alles von dieser Woche stamme.
Gestern jedoch hätten 40 Jäger nur 1 Reh erlegt, sie warte dringend auf Nachschub. Morgen sei aber wieder eine Jagd angesetzt und sie hoffe auf mehr Glück.
Dann fasste ich mir ein Herz und trug meinen sehnlichsten Wunsch vor: ob ich mal einen ganzen Kopf bekommen könnte. Umgehend bejahte sie. Und fragte, ob ich Sülze kochen wolle. Ich ließ sie in dem Glauben…
Es ist einfach wunderbar, wie sich derzeit alles erfüllt, was ich mir wünsche.
Dazu hatte ich am Freitag in der Saune übrigens auch noch ein lustiges Erlebnis: Im Ruheraum war ein Stuhl neben mir frei und einer mir gegenüber, als ein Mann eintrat. Ich wünschte mir, dass er sich mir gegenüber hinsetzt, weil ich einfach meine Ruhe haben wollte. Als er dennoch zielstrebig auf den Stuhl neben mir zusteuerte, wiederholte ich meinen Wunsch an das Universum: Bitte mach, dass er sich gegenüber hinsetzt. Aber er setzte sich neben mich – und brach mit dem Stuhl zusammen.
Und danach setzte er sich brav dorthin, wo ich ihn mir hin gewünscht hatte.
Mein Wunsch ging übrigens auch finanziell sehr gut auf: Ich hatte nur 20€ mit dabei. Kartenzahlung geht dort nicht und zur Sparkasse ranzufahren, hatte ich vorher keine Lust, weil ich dort hätte Gebühren bezahlen müssen. Und zu meiner Bank wäre es ein Riesenumweg gewesen. Und für einen eventuellen Testeinkauf an Wildschwein sollte es ja reichen. Am Ende bezahle ich 17€ und hatte noch genügend Geld, um mir auf dem Rückweg – diesmal über den bewährten Radweg – in der Biolandgärtnerei 4 Quitten für jeweils 60 Cent kaufen zu können.
Nach knapp 4h kam ich gut durchgelüftet wieder zu Hause an. Der Hund begrüßte mich freudig und hoffte auf eine Spazierrunde - ich musste ihn diesmal enttäuschen. Mein Bewegungsdrang war eindeutig gestillt.
So richtig hungrig war ich nicht, Töchterchen hatte sich zum späten Mittagessen angekündigt und Bratkartoffeln gewünscht, so dass ohnehin nicht die Zeit für ein entspanntes Essen war. Meinen Mann stellte ich an den Herd und ich beschnupperte in Ruhe meine Einkaufe.
So richtig kam aber keine Essenslust auf, weil ich nichts außer gebratenen Zwiebeln roch. Und so setzte ich mich beim Essen zu Mann und Tochter dazu, guckte mir zwei schöne Kleider im Katalog aus und schwatzte mit ihnen. Ich gab meinen Enkeln die vor 2 Tagen gekauften Himbeeren mit; Auch die regionalen Birnen hätte ich verschenkt, aber bis auf eine gegessene Frucht wollte sie nichts mitnehmen. Wird schon alles passen.
Um 15:30 Uhr – etwa 25h nach dem Ende der letzten Mahlzeit – hatte ich dann aber einen Löwenhunger. Netterweise hatte mein Mann schon den Kamin geheizt. Und jetzt standen auch die externe Voraussetzungen gut für eine entspannte, ruhige Mahlzeit mit knisternden Holzscheiten neben mir. Einfach perfekt.
Und so ging ich erwartungsvoll an die Auswahl: Erfreulicherweise roch die frische Hirschleber am allerbesten und löste Speichelfluss aus. Nach 17g blutiger Flüssigkeit und 259g Leber begann die Nase sturzbachartig zu tropfen und ich hörte sofort auf. Leberüberlastungen können überaus unangenehm werden, wie ich aus Erfahrung weiß.
Mit etwas Pause gab es danach Fleisch vom Hirsch. Kurz vor dem Ende des gekauten Stücks wurde der Geschmack eklig: 311g waren aber sehr lecker.
Ich versuchte, den so deutlichen Bedarf an Fett zu ignorieren und auf den Folgetag zu verschieben, aber nach der heutigen intensiven kräftezehrenden Aktion teilte mir mein Körper sehr genau mit, was ihm zur Regeneration noch fehlte. So widmete ich mich der Wildschweinrippe, auch unter dem Aspekt, das es vielleicht ganz gut ist, wenn ich auf diese Art und Weise erst einmal mit einer kleinen Portion beginnen und die Auswirkungen testen könne. Allein das Fett war interessant, was auch gut war, weil Fleischkombinationen nicht ratsam sind.
Nach 212g hatte ich alles Fett von den Rippen abgeknabbert – und hatte noch nicht genug. Also habe ich wieder eine Weile in der Hoffnung abgewartet, dass sich Zufriedenheit einstellt. Aber da war nichts zu machen.
Also holte ich mir vom Lamm, was mir bisher noch gefehlt hat: Ich zerlegte ein altes Nackenstück in aller Seelenruhe und popelte mir das Rückenmark heraus. Außerdem hatten es mir die Knochenenden angetan, wo ich einige aufbiss und die Knochensubstanz aß. Es waren insgesamt 52g.
Danach fehlte nur noch eines zu meinem Glück: Haut. Diese holte ich mir von einem Lammrippenbogen. Außerdem biss ich herzhaft in das aufgesägte Brustbein und aß von dort das Knochengebälk, insgesamt 83g.
Damit waren alle Bedarfe gestillt. Alles von einem Tier zu essen, wäre natürlich besser gewesen.
Insgesamt 2,5h hat dieses köstliche Mahl gedauert.
Die längste Zeit habe ich mit dem Lammnacken verbracht. Teilweise hatte ich einfach nur das Bedürfnis, meinen Kau- und Beißreflex zu befriedigen, habe alte trockene Ränder und Sehnen abgerissen und ausgespuckt. Wie ein wildes Tier.
Danach war ich auf eventuelle Reaktionen meines Körpers gespannt. Und es gab nur eine: Ich war für etwa 1/2 h mal kurzzeitig etwas verschleimt, so dass ich auf eine gewisse Belastung des Wildschweins mit Mais tippe. Ansonsten ging es mir einfach nur gut. Kein Schwitzen, kein Durst = alles gut.
Eine andere Reaktion geschah auf emotionaler Ebene: Ich hatte Tränen puren Glücks in den Augen. Und das ist es, was manchmal die Rohkost auch so schwierig macht: dieses himmlische Lebensgefühl zu haben, aber auch mit niemandem wirklich teilen zu können. Da liegt es manchmal nahe, sich der Energie der Umwelt anzupassen.
Anschließend guckten wir uns den Film „Drachenläufer“ an. Das Buch hatte mich vor längerer Zeit beeindruckt, weil es mir sehr anschaulich eine für mich fremde Kultur vorgestellt hat. Nun wartete die DVD schon länger auf ihren Einsatz und gestern waren mein Mann und ich beide faul genug, uns dem hinzugeben. Wie immer, fand ich das Buch aufgrund der detaillierten Ausführungen viel besser und ich werde mir zukünftig wohl eher keine Filme zum Buch ansehen. Sie enden für mich immer alle gleich enttäuschend. Und meine Phantasie ist auch ausreichend genug, um mir die Gestalten vorstellen zu können.
Um das heutige Glück perfekt zu machen, habe ich mit meinem Mann noch meinen großen Wunsch besprochen, draußen schlafen zu können. Wir haben im Garten einen Holzpavillon zu stehen und meine Überlegung ist, dort über dem Tisch in luftiger Höhe zwei Haken für eine Hängematte anzubringen. Im Sommer könnte ich mir ein Mückennetz aufhängen, wenn es zeitig hell wird, auch Decken an den Seiten anbringen und eine gewisse Höhe hätte den Vorteil, das mich der Hund nicht ständig beschnuppert und im Schlaf stört. Zudem schützt mich das Dach vor Regen.Und mein Mann hat meiner Idee zugestimmt und wird mir die Haken abringen.
Da fällt mir wieder jener Spruch ein, den mir mein Kollege mal sagte (und er hat ihn wieder anderswo her): Wer etwas erreichen will, hat Ziele, wer etwas verhindern will, hat Gründe.
Du schreibst einfach wunderbar. Danke!
Alles Liebe,
Ralph
lieben Dank für dein Lob. Ich freue mich, wenn es dir gefällt.
Mein Ansinnen besteht darin, nicht nur die Nahrungsmittelein- und –ausfuhr zu beschreiben,sondern dem interessierten Leser auch zu erklären, wieso und warum ich manches so und nicht anders gemacht habe. Es muss dabei durchaus gar nicht alles richtig sein, aber gemeinsam kommt man weiter. Und welche Schwierigkeiten innerhalb der Rohkost auftreten können, z.B. durch falsche Produktauswahl oder schlechte Qualität oder beides...
Aber in allererster Linie schreibe ich diesen Blog für mich, weil er mir durch die Reflektion hilft, eigene Fehler zu erkennen. Das ist noch anders als die privaten Tagebuchaufzeichnungen, die ich seit mehreren Jahren für mich schreibe.
Liebe Grüße, Sabine